Gewässer unter Druck
Auf Einladung der damaligen Bundesrätin Simonetta Sommaruga hatten sich Vertreterinnen und Vertreter wichtiger Akteure 2020 an einem Runden Tisch Wasserkraft zusammengesetzt, um Lösungen für den in der Energiestrategie postulierten Ausbau an Wasserkraft von 2 TWh zu diskutieren und wie dies im Einklang mit dem bestmöglichen Schutz der Biodiversität einhergehen könnte. Am abschliessenden Treffen haben die Teilnehmenden des runden Tisches am 13. Dezember 2021 eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet. Der WWF spielte am Runden Tisch eine wichtige Rolle.
Der Runde Tisch identifizierte 15 Projekte der Speicherwasserkraft, welche gemäss damaligem Kenntnisstand energetisch am meistversprechenden sind und gleichzeitig mit möglichst geringen Auswirkungen auf die Biodiversität und Landschaft umgesetzt werden können. Ihre Realisierung würde eine saisonale Speicherproduktion im Umfang von 2 TWh bis ins Jahr 2040 erreichen. Die wichtigsten Anliegen der einzelnen Stakeholders am Runden Tisch Wasserkraft kann man hier nachlesen. Der Fokus liegt auf Standorten, die bereits vorbelastet sind sowie auf Empfehlungen und Ausgleichsmassnahmen zum Schutz der Natur. Die Erhöhung bestehender Stauseen soll gegenüber Ersteingriffen in wertvolle Naturräume priorisiert werden, die Restwasserbestimmungen müssen eingehalten werden. Auch wird den Kantonen eine übergeordnete Planung und ein Effort für die ökologische Sanierung der Wasserkraftwerke empfohlen, wie dies der WWF in einer Medienmitteilung Ende 2021 publik machte.
Acht der 15 identifizierten Projekte liegen im Kanton Wallis, so auch das Kronjuwel: Alpiq will zusammen mit Axpo, BKW und IWB am Fuss des Gorner-Gletschers einen 285 Meter langen und 85 Meter hohen Staudamm hochziehen, für den sogenannten Mehrzweckspeicher Gorner. Das Gornergletscher-Wasserkraftwerk soll dereinst im Winter 650 Gigawattstunden produzieren; ein Drittel der angestrebten 2 TWh Ausbaumengen. Die acht am Runden Tisch des Bundesrats designierten Walliser Wasserkraftwerke sind seit Ende 2023 in den Richtplan des Kantons aufgenommen. Dieser wurde vom Bundesrat unter Auflagen genehmigt. So muss der Kanton u.a. eine Planung der Ausgleichsmassnahmen zu Biodiversität und Landschaft machen und diese sobald wie möglich ebenfalls im Richtplan verankern.
Doch die acht Wasserkraftanlagen waren dem Kanton Wallis nicht gut genug. Gut 2.5 Jahre nach dem Kompromiss des Runden Tisches Wasserkraft präsentierte der zuständige Regierungsrat Roberto Schmidt neun weitere Projekte auf Kantonsboden, mit dem Ziel, diese ebenfalls in den kantonalen Richtplan aufzunehmen. Ob der Aussicht von sage und schreibe 17 neuen Wasserkraftwerken in einem einzigen Kanton bei heute schon überstrapazierten Fliessgewässern widersprachen die Umweltverbände WWF und Pro Natura vehement, welche den runden Tisch mitgetragen haben. Die Umweltschutzorganisationen hatten in guter Absicht Hand für einen Kompromiss zwischen Schutz und Nutzen geboten, welcher kurz danach bereits wieder auf die Probe gestellt wurde. Dass neun weitere Projekte weiterverfolgt werden sollen, insbesondere auch solche, die am runden Tisch nicht als prioritär empfohlen worden sind, ist stossend. Ob die Aufnahme dieser Werke vom Bundesrat genehmigt würde, ist angesichts der Ergebnisse des Runden Tischs Wasserkraft offen.
Die acht richtplanerisch festgesetzten Wasserkraftwerke sind beim Kanton in Prüfung. Der WWF ist bei einigen dieser Planungen in einer Begleitgruppe, bei anderen ist die Planung unbekannt.
- Chummensee (Grengiols): Erhöhung bestehende Staumauer und neue Staumauer; 165 GWh (geplanter zusätzlicher Winterstrom)
- Gorner (Zermatt): Neue Staumauer und künstlicher See; 650 GWh (geplanter zusätzlicher Winterstrom)
- Gougra/Moiry (Anniviers): Erhöhung bestehende Staumauer; 120 GWh (geplanter zusätzlicher Winterstrom)
- Griessee (Obergoms): Erhöhung bestehende Staumauer; 46 GWh (geplanter zusätzlicher Winterstrom)
- Lac d'Emosson (Finhaut, Salvan): Erhöhung bestehende Staumauer; 58 GWh (geplanter zusätzlicher Winterstrom)
- Lac de Toules (Bourg-Saint-Pierre): Neue höhere Staumauer an bestehendem Standort; 53 GWh (geplanter zusätzlicher Winterstrom)
- Mattmarksee (Saas-Almagell): Erhöhung bestehende Staumauer; 65 GWh (geplanter zusätzlicher Winterstrom)
- Oberaletsch klein (Naters): Neue Fassung eines neuen natürlichen Sees; 50 GWh (geplanter zusätzlicher Winterstrom)